Der Morgen danach. Zeitung aufgeschlagen, Handy an, erste Telefonschalten - alle ringen um Deutungshoheit. Sieg oder Niederlage? Zwischen Jubel, Tränen, Schönreden und in Sack und Asche gehen, ist alles dabei.

Und überraschend (aber logisch): vielleicht können all diese Gefühle gleichzeitig richtig sein. Ja - das geht.

Bei Kommunalwahlen entscheiden Menschen ganz konkret über Politik vor Ort. Lemgo ist nicht Bonn; das Zusammenrechnen auf NRW-Ebene (für uns Grüne 13%) erzählt nicht die ganze Geschichte.

Dennoch stehen die Ergebnisse nicht für sich allein. Der vielbeschworene „Bundestrend“ und die allgemeine politische Wetterlage beeinflussen das Wahlverhalten. Deshalb darf unser einziger Referenzwert nicht allein 2020 (20%) sein - die Rahmenbedingungen haben sich verändert.

Es gibt Anzeichen für ein Roll-Back in Teilen der Gesellschaft. Dem müssen wir als Grüne im harten Gegenwind standhalten.

Deshalb ist es großartig, was Katja Dörner in Bonn erreicht hat: Stimmen vermehren, eine hervorragende Ausgangsposition für die Stichwahl. Ähnliches gilt für Köln, Münster und Aachen - ich freue mich sehr für Berivan Aymaz, Tilmann Fuch und Sibylle Keupen. Alexandra Gauß in Windeck direkt gewählt: der Knaller! Das ist kein Schönreden, das ist harte Arbeit und verdiente Stimmenzuwächse.

Gleichzeitig müssen wir genau hinsehen - zum Beispiel, was in Gelsenkirchen passiert ist und welche Bedeutung ein AfD-Zuwachs lokal hat. Das ist kein Grund zum Jubeln.

Ja, Freude und Ärger lassen sich gleichzeitig fühlen. NRW ist groß und vielfältig; die Menschen standen vor unterschiedlichen Fragen und Herausforderungen.

Ein riesiger Dank an alle, die kandidiert haben: für Räte und Ämter, ob erfolgreich oder nicht - ihr seid Demokratie.

Jetzt heißt es: noch einmal alles geben für die Stichwahlen im Land. Danach: ehrlich und ehrliche Analyse. Es wird viele richtige Antworten geben.

Bilder: @Marcel Randazzo